Eine Erzählung von und für Mamas

Dienstag, 15. Februar 2011

2. Löwe oder Jungfrau?


„Also wirklich, Tinka! Was soll denn das heißen, vielleicht zwei Wochen früher? Weißt du, was das bedeutet? Das bedeutet Löwe statt Jungfrau! Wenn das so ist, musst du dich wirklich auf etwas gefasst machen. Das Kind Löwe und du Krebs, als ob das je passen könnte! Ich sehe da echt Probleme auf dich zu kommen, Liebes.“
Darf ich vorstellen: Ursel, meine Schwiegermutter. Voll in ihrem Element. Ich komme eben vom Frauenarzt, habe meine Mutter bei Kaffee und Kuchen auf der Terrasse sitzen und den Fehler gemacht, ans Telefon zu gehen. Ursel hat nichts Besseres zu tun, als meine Zukunft von der Konstellation  irgendwelcher Sterne abhängig zu machen. Nicht, dass ich nichts für Astrologie übrig hätte, schließlich lese ich auch regelmäßig mein Horoskop. Ich finde es nett, beim Frühstück zu erfahren, dass mir im Laufe des Tages ein Brad Pitt-Mann über den Weg laufen wird, um mit mir wilden Sex im Fahrstuhl zu haben. Oder dass ich mir die heißersehnten High Heels, die ich kürzlich im Schaufenster entdeckt hab, schon sehr bald leisten kann. Aber Ursel nimmt diesen astrologischen Wetterdienst so richtig ernst, richtet ihr gesamtes Leben nach dem aus, was irgend so ein blasshäutiges Himpelmännchen aus den Sternen liest. Sie liebt einfach alles, was damit zu tun hat, von der sekundengenauen Aszendentenberechnung übers chinesische Horoskop bis hin zum Tarot, das uns mit tiefsinnigen Aussagen wie „Eine schwere Zeit liegt hinter Ihnen. Entscheidungen begleiten Sie weiterhin.“ zum Rätselraten auffordert. Entscheidungen begleiten einen doch jeden Tag und andauernd, um das zu wissen, brauch ich kein buntes Kärtchen: Aufstehen oder Weiterschlafen, Billig-Shampoo oder das Teure vom Friseur, Rock oder Hose. Ursel sieht das anders. Und zu beleuchten, wer unter welchem Sternzeichen mit wem wie zu leben (oder zu leiden) hat, ist ihre elementare Lebensaufgabe.
„Ursel, jetzt übertreib doch nicht. Erstens lebe ich nicht auf einer einsamen Insel, auf der ich für den Rest meiner Tage mit dem letzten Löwe-Mann auf Erden auskommen muss, hier geht es um mein Kind. Und zweitens: So schlimm sind Löwen ja nun auch wieder nicht.“ Sie tut ja geradeso, als wären alle Augustgeborenen eine ernstzunehmende Gefahr für die Zivilisation. Ein menschlicher Tsunami. Das Ozonloch der zwölf Tierkreiszeichen. „Tss, wenn Du wüsstest!“ zischt sie und legt einfach auf. Na super. Kann sie sich nicht einfach mal freuen? Sehe bildlich vor mir, wie sie umgehend den Notstand ausruft und alle ihre esoterischen Freundinnen zu einem Beratungsgespräch mit frisch aufgebrühtem Grüntee einlädt. Ich kann echt verstehen, dass der Hannes, Ursels Mann, immer so viele Überstunden macht. Das hält ja kein normaler Mensch aus – ob die immer schon so war und ihn damals nur wegen dem passenden Aszendenten genommen hat? Und er hat sich bestimmt auch noch geehrt gefühlt. Nicht, dass ich den Hannes nicht mögen würde, ganz im Gegenteil. Aber Löwe oder Jungfrau, ist mir doch echt egal!
Ich bin übrigens Katinka. Katinka Brinkmann. Ich bin im sechsten Monat schwanger und habe seit einem halben Jahrhundert meine Füße nicht mehr gesehen...

Freitag, 11. Februar 2011

1. Good Morning Sunshine

Süß sind sie ja, ohne Frage, aber bis die sich endlich angezogen haben. Oder die Zähne geputzt. Und Schwupp ist es schon wieder 8.30 Uhr und wir müssten längst im Kindergarten sein, dort will man schließlich pünktlich anfangen. „Mama, ich muss noch aufs Klo!“ Schon wieder. Also gut, wieder raus aus der Schneehose und den matschigen Stiefeln, deren bockiger Reißverschluss mich jeden Morgen zur Weißglut bringt. Ach, und kaum dreht man sich mit Kind 2 um, rennt Kind 1 wieder ins Kinderzimmer, wildentschlossen die Jeans gegen ein Sommerkleid einzutauschen (wo hat sie das nur gefunden?).
8.36 Uhr, wir sitzen im Auto, mit Sommerkleid und Gummistiefeln. Mir doch egal, bei dem Wetter gehen die ja sowieso nicht raus! Die sieben Minuten Fahrt im Auto nutzen wir für ein kleines Pläuschchen, was heute so alles ansteht. Oder wir singen so wie heute ein Lied – irgendwie hab ich immer dieses starke Bedürfnis, die Kinder mit einem fröhlichen Gefühl, einem liebevollen letzten Eindruck in ihren Vormittag zu schicken. Das grantige „Kommt jetzt endlich, wir müssen loooos!“ und der vielleicht etwas zu ruppige Griff beim Einsteigen ins Auto müssen sofort wieder aus der Erinnerung gescheucht werden. Vor allem aus meiner. Stattdessen „Alle Vöglein sind schon da“ und Hand in Hand durch die Pfütze vorm Kindergarten springen. Wie im Bilderbuch, ist das nicht schön!
„Na, wenn die Mama dich bringt, kannst du wohl immer ein bisschen länger im Bett liegen bleiben!“ lächelt die Erzieherin mein unschuldiges Töchterchen zur Begrüßung an. Ja genau, und die Mama liegt nämlich IMMER ganz faul im Bett und lässt die Kinder alles selber machen, genau, die böse böse Mama. Ach, ich merk schon, irgendwie ist heut nicht mein Tag. Nur schnell raus hier und nach Hause. Wer will sich denn schon nach einer miesen Nacht (beim sechsten Mal aufstehen hab ich aufgehört zu zählen) mit Vollzeitpädagogen anlegen? Ich definitiv nicht. Ich spür direkt die Blässe und Augenringe, die ich auch jetzt noch, um mittlerweise 8.51 Uhr (da sitzen andere längst im Meeting!) mit mir herumtrage. Auch ich fühl mich nicht wohl dabei. Auch ich würde gern vor Elan und innerer Ausgeglichenheit leuchten, Komplimente für meinen strahlenden Teint kassieren und vor lauter Witz nur so sprühen. Vielleicht ein andern Mal. Vielleicht morgen. Jetzt heißt es erstmal: ab nach Hause und das Chaos beseitigen. Wer weiß, nicht dass in einer halben Stunde wieder Frau Michalski aus der 37b bei mir klingelt, nur mal so weil sie grad mit ihrem Spaniel eine Runde an der frischen Luft dreht. Um mir mitzuteilen, dass bei Greta die Rolläden noch unten sind. „Ich musste jetzt unbedingt klingeln, ist die Süße wohl krank? Bestimmt Magendarm, das geht ja grad rum! Weil das Fenster noch so dunkel ist.“ Am besten, ich mach gar nicht auf, falls es klingelt. Einfach so. Bin einfach nicht da und genieße einfach mal die Ruhe und einen schönen heißen Kaffee. Außer natürlich es ist der Paketmann! Hab vorgestern so süße Sachen für die Mädchen bestellt, auch Sandalen. Letztes Jahr hab ich den Fehler gemacht, mich erst darum zu kümmern, wenn das Wetter danach verlangte. Vieeeel zu spät!!! Eine gut organisierte Vollblutmutter weiß das natürlich und belächelt unsereins nur. Ist doch klar, dass im Mai die gängigen Größen von Kindergartenkindern längst vergriffen sind! In diese Falle tappe ich dieses Jahr nicht, ha! Ich hoffe nur, dass die Größen dann im Sommer noch stimmen, da muss man ja spekulieren wie ein Börsenfuchs. Denn wenn‘s ganz blöd läuft, sind die neuen Sandalen dann noch zu groß – und die passende Größe dann wiederum vergriffen! Oder nur so ganz fiese Quadratlatschen in Matschbraun übrig.
Wenn mir das mal einer gesagt hätte, was man als Mama alles lernen muss, mit wem man alles auskommen muss, worüber man sich täglich ärgern muss. Wirklich, ich weiß nicht, ob mir der Schritt zur Mutterschaft genauso leicht gefallen wäre, ob ich mich ebenso so unbändig auf meine neue Rolle gefreut hätte, wie ich's vor sechs Jahren tat. Unwissenheit schützt, so langsam macht dieser Spruch für mich Sinn. Aber lesen Sie selbst, wie alles begann...