Eine Erzählung von und für Mamas

Freitag, 24. Juni 2011

Shopping Mum

8. Es ist Samstag. Genau genommen ist es mittlerweile Samstagmittag, was bekanntlichermaßen die absolute Horrorzeit für einen Stadtbummel ist. Um mich herum sehe ich nichts als Muster. Gerbera in Pink und Orange auf Senfgelb, braune Tupfen auf Unterhosen-Bleu, Batikfantasien in allen Farben des Regenbogens. Nein, ich bin nicht in der Teppich- und Tapetenabteilung von Karstadt gelandet, sondern auf der Suche nach neuen Umstandsklamotten. Stehe in der Mama-Abteilung eines von meiner aktuellen Schwangerschaftszeitschrift empfohlenden Mutter-und-Kind-Tempels und bin den Tränen verdammt nahe – so viel Geschmacklosigkeit auf einem Haufen hab ich echt noch nie gesehen. Die Hersteller dieser modischen Beleidungungen müssen der Ansicht sein, das schwangere Frauen vor lauter Gefühlsduselei nicht mehr klar geradeaus gucken können, ihren guten Geschmack gemeinsam mit der ersten Urinprobe beim Frauenarzt abgegeben haben und aufgrund des unproportional gestiegenen Hormonpegels total balla balla sind. Sorry, aber seit wann ist ein braunrot-kariertes Viermannzelt KLEIDSAM? Auch wenn ich mich so rein figurtechnisch langsam aber sicher den Ausmaßen eines Nilpferdes nähere, will ich doch noch lange nicht rumlaufen, wie eine Bühnenkulisse vom Musikantenstadl! Und bitte, welcher Teint erinnert in Senfgelb nicht an eine schlimme Magen-Darm-Infektion? Mal abgesehen davon, was eine Bilderbuchschwangere so in ihrem heimischen Garten trägt, müsste doch jede moderne Frau einen einigermaßen passablen Look beibehalten können. Auch ich sollte nicht unnötig Cassandras Launen mit der Zurschaustellung modisch absolut indiskutabler Outfits herausfordern, schließlich muss ich täglich Bianca-Fashion repräsentieren und wenigstens so tun, als ob ich über ein gewisses Modebewusstsein und das entsprechende Portemonaie für dessen Umsetzung verfügen würde (nein, Yvonne und ich bekommen selbstverständlich KEINE Outfits von der Firma gestellt!). Okay, okay, ganz ruhig, erstmal setzen und ein Schlückchen trinken – nicht, dass ich hier auch noch inmitten der aus Restbeständen und ohne Frage unter größtem Alkoholeinfluss zusammengeklöppelten „Kreationen“ zusammenklappe, man dehydriert ja so ungemein schnell! Vielleicht sollte ich doch nochmal rüber zu C&A gehen, angeblich haben die ja eine gar nicht ganz so schlechte Auswahl – behauptet jedenfalls Schwiegermutti Ursel. Und die weiß das wiederum von ihrer Nachbarin Gisela, deren Schwiegertochter erst kürzlich und ganz ohne PDA (hört, hört) ein propperes Söhnchen ans Tageslicht gepresst hat. Im Grunde reicht es ja eigentlich auch, wenn ich eine einigermaßen passable, am besten schwarze (macht schlank und passt zu allem) Hose ergattern würde, in der nicht nur mein Hintern, sondern auch mein stetig wachsendes Bäuchlein ausreichend Platz findet. Bis jetzt bin ich locker mit meinen normalen Hosen ausgekommen, habe einfach den obersten Knopf aufgelassen und die beiden Seitenteile mit einem Gummiband verbunden, damit mir die Buchse nicht mitten im Showroom bis an die Knöchel rutscht. Ein stylische Tunika von H&M obendrüber gezogen und das Ganze mit einer baumeligen Kette aus bunten Glasperlen und/oder einem frechen Gürtel aufgepeppt, und fertig war das perfekte Bauch-weg-geschummelt-Outfit. Doch so langsam aber sicher lässt sich dieser stramme Kugelbauch einfach nicht mehr in den normalen Hosen verstecken. Mal abgesehen davon, dass das Baby sich anscheinend ein richtig schmuckes Penthouse einrichtet und meine Taille einfach mit in Beschlag nimmt. Beim Sitzen kneift mittlerweile nämlich auch ein noch so großzügig mit Gummibändern erweiterter Bund, und wenn ich den Reißverschluss auch nur einen Milimeter weiter auflasse, können Hinz und Kunz in der Fußgängerzone schon von weitem das Muster meines Schlüpfers bewundern! Nein, ich komme um eine Umstandshose mit praktischem Elastikbund echt nicht mehr herum. Am besten, ich bestelle Laura zur Beratung dazu. Sie drängt ja sowieso schon seit Wochen darauf, mir als persönliche Einkaufsberaterin zur Seite zu stehen. „Du, ich war jetzt grad beim Yoga, aber ich kann gerne zu dir in die City kommen!“ hechelt Laura in ihr Handy. Ist wohl mal wieder mit dem Rad unterwegs. Bei soviel Elan und Sportlichkeit sinkt meine ohnehin schon überaus schlechte Laune gleich noch ein Stück weiter ins Untergeschoss. Scheiße, wenn man nicht in der richtigen Stimmung ist, sollte man ja eigentlich gar nicht erst Shoppen gehen. Weiß man ja. Da landen entweder ausschließlich Teile in den Einkaufstüten, die man eh schon en masse zu Hause im Schrank hängen hat (bei mir sind das immerwieder Strickjacken in Schwarz oder Hellgrau. Und weiße Blusen). Oder man bildet sich ein, just heute mal was ganz Verrücktes ausprobieren zu müssen und greift zielsicher zu dem ausgefallendsten Teil, das zu finden ist und das – wäre man heute nicht zufällig vorbeigekommen – garantiert als Restposten auf dem Grabbeltisch geendet wäre. Zu Hause angekommen, stellt man dann meistens fest, dass man von dem Mustermix/der Farbe/dem Schnitt fast ohnmächtig wird oder aber das Fähnchen beim besten Willen hinten und vorne nicht passt. Klassische Fehlkauflaune also. Wie sich die wohl im Zusammspiel mit Schwangerschaft äußert? Am besten, ich verlasse diesen Stuhl in der wildgemusterten Mama-Abteilung erst gar nicht, bevor Laura da ist. Sicher ist sicher. Und so schlimm, dass ich auf die absurde Idee käme, mein Geld an Ort und Stelle in eine Sesselhussen ähnliche Tunika mit tellergroßem Sonnenblumenmuster zu investieren, steht es um mich Gott sei dank ja noch nicht.

Als Laura endlich auftaucht, döse ich so vor mich hin und zähle die Fusseln auf dem ehemals hellbeigen Teppichboden vor mir. „Was ist denn DAS?“ kreischt sie entsetzt los, als sie schräg hinter mir die an Seidenmalerei erinnernde Bluse Modell „Veronika“ entdeckt. „Oh mein Gott“, murmelt sie betroffen als sie sich im Laden umsieht und zieht mich hastig raus auf die Straße, zurück ins Leben. „Hör mal Süße, da gehst du mir nie wieder rein, hörst du? Selbst, wenn man vorher noch gut drauf war, holt man sich da ja mindestens eine mittelschwere Depression! Dass die da auch noch GELD für verlangen dürfen!“ Und dann müssen wir beide so anfangen zu lachen, dass ich mir fast ein paar Troppen in die Hose piesle. „Und ich dachte schon, es liegt an mir und meiner miesen Laune“, keuche ich erleichtert. „Miese Laune? Na komm, das ändern wir sofort. Erstmal gönnen wir uns jetzt ein sündhaft dickes Eis und dann finden wir ein paar heiße Klamotten für dich, versprochen!“ Ach Marie ist ein Schatz, es tut ja so gut, eine liebe Freundin zu haben. Und die Umstandsabteilung bei C&A erweist sich tatsächlich als gar nicht so übel, schönen Gruß an Ursels Nachbarin. Klar, auch hier haben sich die ein oder anderen Blumenbouquets auf zeltähnliche Textilien verirrt, aber grundsätzlich finden sich auch wirklich nette Teilchen dazwischen. Ein Babydoll-Kleid in Altrosa mit süßer bourdeauxroter Spitze am Dekolleté, zwei langärmelige Stretchshirts mit Cache-Coeur-Ausschnitt sowie ein knieumspielender (ha!) Rock mit elastischem Gummibund habe ich mir bereits gesichert und an der Kasse hinterlegt. Fehlt nur noch die besagte Hose. Und obwohl es eine relativ große Auswahl gibt, stellt sich die Hosenfrage als problematischer heraus, als erwartet. Denn Schwangerschaftshosen fangen im Grund erst da so richtig an, wo andere Hosen aufhören. Damit das Bündchen den kostbaren Bauchbewohner nicht einschnürt, hört der eigentliche Hosenstoff (Stretch, Jeans oder was weiß ich) auf Schlüpferhöhe auf. Und dann, ja dann folgt erst der eigentliche Gag an der ganzen Sache: Im Hosenbund ist sozusagen ein riiiiiesen Wollstrumpf festgenäht, der je nach Schwangerschaftsmonat ungefähr bis kurz unter den Busen oder auf Nabelhöhe reicht. Soll die Hose vorm Absturz bewahren und den Bauch schön warm halten. Die Idee an sich ist ja nicht verkehrt, aber alleine die Vorstellung von diesem wollenden Stretchriesendings um meinen Bauch... und das auch noch im HOCHSOMMER. Außerdem – und das finde ich fast noch schlimmer – passt mir keine von diesen strumpfigen Hosen. An den Beinen schön eng (hatte da eine ganz süße Jeans in der engeren Auswahl), schlabbert mir oben dieses Strumpfteil total gelangweilt irgendwo unter den Achseln rum, weil mein Bauch noch nicht dick genug ist. „Und wenn du die erst später kaufst?“ überlegt Marie tapfer, „in zwei Monaten müsstest du dann doch eigentlich reinpassen.“ Aber in zwei Monaten passt dann unten mein Hintern wahrscheinlich nicht mehr rein. Das komische an einer Schwangerschaft ist ja, dass sich der Körper in die ungeahntesten Richtungen völlig unkontrolliert ausdehnt. Von einen Tag auf den anderen hast du plötzlich Oberarme wie Cindy aus Marzahn. Und wo gestern noch ein disziplinierter Taillenansatz war, herrscht heute Anarchie. Nee, so in die ungewisse Zukunft hineinkaufen, das trau ich mir jetzt nicht. Also weitersuchen. Nach einigem Hin und Her entscheiden wir uns für eine schwarze Stretchhose, die untenrum eigentlich genauso aussieht, wie die Modelle die ich seit Jahren trage, nur dass sie oben am Bündchen „mitwachsen“ kann. Gott sei dank hat sie nicht so eine schlimme Wollsocke obendran, sondern lässt sich mit Hilfe von fünf Knöpfen auf jeder Seite und einem zusätzlichem Gummizug ganz nach Belieben dem jeweiligen Bauchumfang anpassen. Toll, die nehmen wir! „Hat sie auch Taschen am Po? Du darfst nie, NIEMALS, Stretchhosen ohne Taschen am Po kaufen! Das hat sogar Cameron Diaz eine Negativschlagzeile eingebracht. Steht einfach keinem.“ bekräftigt Laura. Die Wunderhose weist tatsächlich zwei nette Taschen am Hintern auf und somit verlassen wir erschöpft aber glücklich nach gefühlten fünf Stunden die Mutti-Abteilung von C&A. Mann, jetzt bin ich aber auch echt fertig. Nix wie nach Hause und hoch mit den geschwollenen Füßen. Offensichtlich hat Laura für heute auch genug vom Shoppen, denn sie würdigt das Schaufenster von Mango keines Blickes. Stattdessen kommt sie noch auf ein Gläschen Eistee mit zu mir, denn sie will mir noch irgendeine weltbewegende Neuigkeit von ihrem Schätzchen, dem Gregor, erzählen.

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