Eine Erzählung von und für Mamas

Mittwoch, 9. März 2011

3. Meine Rettung: Römersandalen

„Tinka, ich rede mit dir! Sag mal schläfst du jetzt schon mit offenen Augen oder was?“ Ach ja, meine Mutter war auf eine Tasse entkoffeinierten Kaffee vorbeigekommen. „Ich habe dich gefragt, ob du  eigentlich gedenkst, irgendwann nochmal zur Arbeit zu gehen. Schließlich kannst du doch nicht ewig hier zu Hause auf der faulen Haut liegen und darauf warten, dass der Klapperstorch vorbeifliegt!“ Hätte mich auch gewundert, wenn sie was Nettes gesagt hätte. Wie’s mir geht oder wie weit ich mit dem Kinderzimmer bin oder so. Aber warum sollte sich auch irgendetwas ändern, nur weil ich ihren ersten Enkel mit mir rumtrage. „Natürlich werde ich wieder hingehen.“ Und zwar an meinem letzten Arbeitstag vorm Mutterschutz, wenn es zum Abschied ein Glas Prosecco und Geschenke gibt, ha! „Aber weißt du, das lasse ich lieber den Dieter entscheiden. Morgen Nachmittag hab ich wieder einen Termin bei ihm, dann werden wir weitersehen. Der hat mich ja auch nicht zum Spaß krankgeschrieben.“ Dieter ist mein Frauenarzt. Seit ich schwanger bin, sind wir per „Du“. Er fand das jetzt, wo wir uns doch so oft sehen, nur angemessen. Neulich wirkte ich ihm irgendwie angestrengt, so wenig entspannt. Ich soll es mir doch mal zu Hause gemütlich machen, die Füße hochlegen und in Zeitschriften blättern. Ist der nicht einfach nur toll?!
„Na, dann ist ja gut. Die im Showroom warten ja schließlich nicht ewig auf dich. Und eins will ich dir sagen: So schnell kommst du nicht wieder an einen so glanzvollen Job!“ Das ist ja mal wieder typisch. Meine Mutter hat mir nur deswegen einen Besuch abgestattet, um sicherzugehen, dass ihre Quelle für schicke Etuit-Kleider und hochgeschlitzte Stretchröcke zum Einkaufspreis nicht versiegt. Ich arbeite seit zwei Jahren als Verkaufsassistentin bei Bianca-Fashion und versuche dort mehr oder weniger erfolgreich, die Einkäuferinnen großer Modehäuser wie auch die der nicht weiter nennenswerten Tante-Emma-Boutiquen aus irgendeinem bayerischen Pusemuckeldorf zu einem Kauf der aktuellen Kollektion zu überreden. Das Ganze muss man sich im Grunde wie eine ständig geöffnete Einkaufsmesse vorstellen. Ungefähr ein halbes Jahr, bevor die Klamotten in den Geschäften hängen, präsentieren wir sie den Kunden. Das meiste davon sind ehrlich gesagt Kopien von dem, was unsere Designer auf den internationalen Laufstegen gesehen haben. Meine Mutter weiß zwar den klassischen Look und vor allem das gute Image, das Bianca-Fashion in der golfspielenden Damenwelt von München, Düsseldorf und Hamburg wie durch ein Wunder unangefochten aufrecht hält, zu schätzen, gibt ihre Euros allerdings lieber beim Friseur oder in der Kosmetikabteilung aus. Daher besorg ich ihr, wo ich kann, Ausstellungsteile der aktuellen Kollektion – im Gegensatz zu mir passt sie mit ihrem Pilates getrimmten Minipopöchen nämlich immernoch in Größe 36. Ich komme da ja mehr auf meinen Vater, bin nicht püppizart, sondern na ja, sagen wir, eher sportlich gebaut. Kräftige Oberschenkel, stramme Waderln, breites Kreuz. Der Vorteil: So lange ich aufpasse, dass meine Mitte nicht zu weich wird (gut, ist jetzt hinfällig, bin eh schwanger), seh ich irgendwie immer aus, als hätte ich morgens schon 2000 m kraulend im Hallenbad zurückgelegt. Hab ich aber nicht. Unter uns gesagt, ich hasse Schwimmen.
Natürlich wäre ich lieber zierlich, dann könnt ich auch diese tollen kurzen Hotpants tragen und oben einen stylischen weiten Pulli aus Seidenstrick, das fänd ich klasse. Aber man muss mit dem klar kommen, was man so hat. Und ich will jetzt auch nicht mit dieser Komplimenterhascherei anfangen, die vor ein paar Jahren in meinem Bekanntenkreis zum neuen Volksport ausgerufen wurde! Kaum dass man sich rein altersmäßig auch nur einen Moment von der 25 entfernt, nimmt der Horror seinen Lauf. Ein normales Gespräch zwischen zwei sich irgendwo auf halber Strecke zwischen 25einhalb und 30 bewegenden Frauen, wird unaufhaltsam von Aussagen wie „Ich kann vor lauter Cellulite ja kaum noch laufen!“, „Ein Wunder, dass mir meine Brüste noch nicht in die Hosentaschen baumeln!“ oder „Die Haut um meine Augen sieht aus wie der Hintern vom Ötzi!“ gespickt. Diese muss frau daraufhin entweder haushoch übertrumpfen („Das musst du ja gerade sagen! Ich hab mittlerweile so viele Besenreiser, dass man denken könnte, ich hätte mir die Straßenkarte der Tour de France auf die Haut tätowiert!“) oder verständnisvoll nickend bemitleiden („Oh ja, ich kenn das, auch ich hab einen Spiegel daheim.“). Nein, also mal ganz unter uns: Ich war mit meiner Figur eigentlich immer ganz zufrieden, auch wenn ich mich seit meinem fünfzehnten Geburtstag stets erfolgreich um alles, was überm Knie endet, gedrückt habe. Mein persönlicher Alptraum: Miniröcke. (Vor kurzem hatten wir im Showroom so einen Aktionstag und alle sollten dasselbe Outfit tragen, und es war unglaublich KURZ. Ich hatte Tränen in den Augen und drei Glas Sekt intus, als ich tapfer die ersten Gäste begrüßte. Unser Dekorateur kam am Ende des Tages zu mir und sagte :“Schätzchen, heute siehst du glatt drei Kilo schwerer aus.“)
Ich sag immer: Man muss ja auch nicht jeden Trend mitmachen! Viel besser ist es, sich einen Stil zuzulegen, mit dem man sich immer gut angezogen fühlt, der die kleinen Schwachstellen kaschiert und die durchaus gelungenen Partien sexy in Szene setzt. Mittlerweile habe ich ein ziemlich sicheres Gespür dafür entwickelt, welche Rocklänge (bis kurz unters Knie oder ganz lang), welcher Schnitt (leicht fließend ist besser als ausgestellt und ruschelig) und welche Jeansform (oben tief- und engsitzend, unten ausgestellt) mir am ehesten schmeichelt. Und bloß nie das Haus mit flachen Schuhen verlassen, nie! Schon ein kleiner Absatz streckt die Optik ungemein. Am besten sind natürlich High Heels, da kenn ich nix, auch kein schlechtes Wetter. Aber der Dieter hat neulich schon mit mir geschimpft, ich soll mir mal ein anderes Schuhwerk zulegen, flach und bequem, damit ich die Balance mit dem dicken Bauch nicht verliere. Und dem Rücken tuts auch nicht gut, das leuchtet mir ja ein. Vorn wird’s immer schwerer und von unten jagen einen die hohen Absätze ins maximale Hohlkreuz.
Je länger ich schwanger bin, desto mehr verliere ich den Spaß an der Sache, das muss ich jetzt echt mal sagen. Erst diese gemeine Übelkeit und dieses ganze Gezeter darum, was man jetzt alles bloß nicht mehr essen darf (Parmaschinken ist böse, Sushi ist sehr sehr sehr böse und von grober Leberwurst oder deftigen Appenzeller wollen wir ja lieber gar nicht erst sprechen!) und jetzt auch noch diese Sache mit den flachen Schuhen. Ich MAG mich nunmal nicht auf flachen Sohlen. Mit Ballerinas seh ich aus wie eine breitere Version meiner Mutter. Und mit Mokassins übrigens auch. Und auf Sneakers fühl ich mich wie ein dicker Teenie. Vielleicht probier ich mal diese neuen Römersandalen, in der Hohenzollernstraße haben mich neulich so tolle im Metallic-Look angelacht. Sind ja sehr angesagt, auch bei den Promis. Aber wer nackte Zehen zeigt, braucht erstmal eine anständige Pediküre und Chanel 505. Ob das geht? Ich meine, ist der Lack nicht giftig?? Muss ich unbedingt gleich in meinem Schwangerschaftsratgeber nachschlagen. Nicht dass das wieder so katastrophal endet, wie neulich mein Besuch beim Friseur…

Keine Kommentare: